Blick nach Süden
Ein Sammelband zu Europas Bildern von Afrika
Rassistische Denkmuster und Verhaltensweisen lassen sich keineswegs nur auf die Zirkel organisierter Rechtsextremisten reduzieren, sondern spiegeln sich in Politik und Medien, im öffentlichen und privaten Leben, so die provokante These von Susan Arndt. Die an der Humboldt-Universität tätige Afrika-Wissenschaftlerin dokumentiert mit dem von ihr herausgegebenen, fundierten und doch einer breiten Leserschaft anschaulichen Buch, wie sehr Stereotypen über Afrika und seine Bewohner die Projektionsflächen unserer Ängste und Sehnsüchte sind. Gerade deswegen stehen sie einer Auseinandersetzung mit der Vielfalt afrikanischer Gesellschaften diametral entgegen.
Überzeugend illustrieren drei Themenschwerpunkte mit insgesamt dreiundzwanzig Beiträgen die Komplexität des Problems: Während der erste Teil die historischen Hintergründe aufzeigt, konzentriert sich der zweite auf die negativen Afrikabilder in Kunst und Literatur. Schließlich legt der dritte die politischen Rahmenbedingungen dar, mit denen Afrikaner in Deutschland konfrontiert sind.
Ein Blick in die Geschichte veranschaulicht die geistesgeschichtlichen Wurzeln des Rassismus und die historischen Kontinuitäten der abwertenden Afrika-Stereotypen, wobei die unterschiedlichen Entwicklungslinien in Ost- und Westdeutschland illustriert werden. Besonders beeindruckt, wie die Historiker Jan Behrends und Patrice Poutrus die Ursachen der rassistischen Gewalt in den neuen Bundesländern aus dem Umgang mit Fremden in der DDR herleiten. Demnach führte der Widerspruch zwischen der staatlich verordneten, internationalen Solidarität und der rigiden Isolation ausländischer Vertragsarbeiter und Studierender dazu, dass die DDR-Bürger Afrikaner nur aus der Distanz wahrnahmen. So wurden der Aufbau von Kontakten und die Einübung von Toleranz systematisch verhindert. Damit sollen nicht die rechten Schläger oder diejenigen, die ihnen Beifall bekunden, aus der Verantwortung entlassen werden. Ganz im Gegenteil zeigt sich hier die enorme Herausforderung, mit der Gesellschaft und Politik zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung konfrontiert sind.
Auch im Westen sind etliche Weichen neu zu stellen, zumal im Zuge der Wiedervereinigung die konservativ-liberale Regierung dazu überging, Nationalstolz zu predigen. Medienkampagnen mit Slogans wie ‘das Boot ist voll’ trieben die Meinungsmache gerade gegen Afrikaner voran. Um so wichtiger sei es, eine menschenwürdige Integrationspolitik zu formulieren, bekräftigt der Politologe Christoph Butterwegge.
Es sind jedoch nicht nur die Bilder von Kriegen, Aidsopfern und Naturkatastrophen, auf die sich die Afrika-Berichterstattung in den Medien beschränkt. Sogar der Buchmarkt versäumt eine Auseinandersetzung mit den Selbstbildern von Afrikanern. Während die Verlage lamentieren, afrikanische Literatur lasse sich nicht verkaufen, sind Bücher Kassenschlager, in denen deutsche Reisende ihre Afrika-Erfahrungen zu Papier bringen und die Sehnsucht der hiesigen Leserschaft bedienen. Die lässt sich dann gar nicht mehr auf afrikanische Autoren ein, so die ernüchternde Bilanz der Literaturexperten János Riesz und Peter Ripken.
Dennoch arbeitet gerade Peter Ripken daran, Verlage für Übersetzungen afrikanischer Romane zu gewinnen und den Bekanntheitsgrad afrikanischer Schriftsteller durch Lesereisen zu fördern. Viel wäre getan, wenn afrikanische Kinder- und Jugendbücher in den schulischen Fächerkanon integriert würden, so die Forderung des Anglisten Peter Bräunlein. Doch auch die Kinder- und Jugendbuchverlage erweisen sich äußerst resistent, Übersetzungen afrikanischer Geschichten in ihr Programm aufzunehmen. Bislang prägen moralisierende Entwicklungshelferberichte, die auf ein vermeintliches ‘Kinderniveau’ heruntergeschraubt werden, diese Literatursparte, obwohl gerade afrikanische Kinderbücher von hintersinnigem Humor und persönlicher Stärke zeugen, ohne die Probleme des Kontinents auszublenden.
Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast Verlag, Münster 2001, 463 Seiten, 21 .
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