DISS-Journal über ›Afrika und die deutsche Sprache‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen DISS-Journal über ›Afrika und die deutsche Sprache‹

»Ein Streit um Wörter und ihre Bedeutungen – auch wenn es in diesem Buch um viel mehr geht – ist immer gut, und ich will mich gerne darin einmischen. Das macht besonders Spaß, wenn er – auch graphisch – so schön eingebettet ist, wie in diesem Band, publiziert im Unrast-Verlag.

Das fängt mit Begriffen wie ›Rassismus‹ an. Die Definition, die hier verwendet wird (vgl. S. 11ff), ist mir, offen gesagt, zu schmal. Sie orientiert sich zu sehr am alten Rassismus-Verständnis, indem sie sich insbesondere auf körperliche Merkmale konzentriert, kulturellen (Neo-)Rassismus, bei dem Ausgrenzung durch Zuschreibung negativer kultureller Werte stattfindet, zwar nicht restlos, aber weitestgehend außen vor lässt.(Anm. 1)

So heißt es etwa: ›Bei den Erfahrungen von körperlicher, sprachlicher und psychischer Gewalt, die etwa Weiße Russen und Russinnen heute in Deutschland erfahren, handelt es sich zwar um Formen von Diskriminierung, die auf eine antislawische und antirussische Tradition in Deutschland aufbaut, nicht aber um Rassismus, wie wir den Begriff hier gebrauchen.‹ (S. 14) Zumindest in großen Teilen des wissenschaftlichen Diskurses zum Thema Rassismus etwa bei Robert Miles, Nora Räthzel, Stuart Hall, Jürgen Link, Teun van Dijk u.a. wird aber gerade dieser Neo-Rassismus als besonders gefährlich angesehen, da er seinen Vertretern die Möglichkeit gibt, sich als nicht rassistisch zu präsentieren. Das ist bis in direkt rechtsextreme Publikationen hinein zu verfolgen. Richtig ist, dass insbesondere Schwarze Menschen Rassismus auf sich ziehen, da sie für viele Weiße sofort als ›die Anderen‹ erkennbar zu sein scheinen. Richtig ist auch, dass der alte biologistische Rassismus nicht verflogen ist; richtig ist aber auch, dass beide Formen des Rassismus insbesondere im Alltag immer wieder bzw. fast immer undifferenziert nebeneinander auftreten; auch z.B. gegenüber Russinnen, Italienerinnen, Spanierinnen, Türkinnen, Sinti und Roma (vgl. dazu S. Jäger: BrandSätze . Rassismus im Alltag, Duisburg 1992, Volltext zum Download).

Natürlich kann man jeweilige ›Wirklichkeiten‹ auch immer etwas anders deuten. Ein wissenschaftlicher Begriff wie der des Rassismus erweist seine Brauchbarkeit aber daran, ob er ein gesellschaftliches Phänomen wie die Dreiheit von l. Rassenkonstruktion mit biologischen und/oder kulturellen Argumenten, 2. negativer Bewertung 3. im Diskurs (der mit Macht verbunden ist) zu erfassen geeignet ist, das ganz offensichtlich für die davon Betroffenen mörderisch sein kann, wie tausende von Brandanschlägen gegen Migrantinnen in Deutschland gezeigt haben.

Und weiter kann man streiten, ob die von den Verfasserinnen angewandte Einzelwortanalyse von Wörtern wie Asylant/Asylantin (S. 79ff.) wirklich trägt, denn dabei wird verkannt, dass sich Wörter im Diskurs ständig verändern. Im Beispiel: Wird ›Asylant‹ durch ›Asylbewerber‹ ersetzt, nimmt dieses Wort nach einiger Zeit meistens dieselbe negative Bedeutung an, die zuvor das Wort ›Asylant‹ innehatte, da es immer wieder in denselben negativen Kontexten Verwendung findet. Daher bringt das Ersetzen eines Wortes durch ein anderes auch nicht viel: es geht darum, die diskursiv-alltäglichen Kontexte zu ersetzen, da diese dafür verantwortlich sind, was mit den Menschen passiert. Das heißt nicht, dass zuerst die Gesellschaft verändert werden muss, ehe sich der Diskurs ändern wird, denn dieser geht immer den gesellschaftlichen Veränderungen voraus.

Berufungen auf Wortetymologie und Lexika (Duden, Storz, Sternberger, Süskind: ›Wörterbuch des Unmenschen‹) zeigen einerseits, wie sehr diese Weise der Analyse noch teilweise der traditionellen Linguistik verhaftet ist. Glücklicherweise bleiben die Verfasserinnen jedoch dabei nicht stehen, sondern betten in der weiteren Diskussion die Einzelwörter in ihren diskursiven Kontext ein, wenn sie z.B. schreiben: ›Eine negative und rassistische Konnotation des Begriffes >A.(sylant)< ergibt sich aber aus (…) der Kopplung des Begriffs mit innerdeutschen Problemen von Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität sowie der Behauptung einer angeblich nicht mit der Kultur (!) des Aufnahmelandes zu vereinbarenden Kultur (!) und Lebensweise der >A.(sylanten)<‹. (S. 80f.)

Hier wird zugleich der viel zu enge Begriff von Rassismus, der in der Einleitung gesetzt wird, de facto ausgeweitet in Richtung eines kulturellen Rassismus. Hier zeigt sich, wie und dass die Analyse eine Analyse im Übergang ist: Mit einem Fuß steht sie noch in der alten Sprachwissenschaft (es gibt ›rassistische Wörter‹), mit dem anderen marschiert sie aber mutig und differenziert in übergreifende kulturwissenschaftlichdiskursanalytische Gefilde hinein. (Anm. 2) Letzteres gilt nicht allein für ihre theoretischen Grundannahmen, sondern auch für eine differenzierte Wahrnehmung des sich insbesondere gegen Schwarze Menschen richtenden Rassismus überhaupt.

Vielleicht macht ja gerade den didaktischen und politischen Reiz dieses anregenden Buches aus, dass es die schul-linguistisch vorgeprägten Leser und Leserinnen an die Hand nimmt und ihnen den Weg ins Neuland weist.

Hervorzuheben ist auch, dass die Autorinnen dazu einladen, sich an der Diskussion über dieses Buch zu beteiligen (Forum unter spracheafrika (ät) yahoo.de.). Und hinzuweisen ist auch darauf, dass sich das Forscherinnenteam in Zukunft auch mit der deutschen Terminologie zu Nord- und Südamerika, zu Europa, zu Asien und Australien sowie (man darf gespannt sein!) ›zu Antisemitismus‹ kritisch auseinandersetzen wird, und es wird zur Mitarbeit daran aufgerufen.« – Siegfried Jäger, DISS-Journal 13 (2004)

Anmerkungen
(1) Von Kulturellem Rassismus zu sprechen, sei ›irreführend‹, weil Rassismus von Anfang an eine Ideologie gewesen sei, ›bei der biologistischen Konstruktionen soziale und kulturelle Attribute zugeschrieben wurden.‹ Neu sei jedoch, dass es neuerdings Strategien gebe, wonach sich Rassismus zunehmend auch gänzlich unabhängig von biologistischen Ausgangskriterien manifestiere und in stereotypisierender Weise angeblich >naturbedingte< und als unvereinbar proklamierte Unterschiede zwischen bestimmten Kulturen konstruiert wurden. (S. 16) So what?
(2) Ich verweise dazu auch auf die Textanalyse S. 224ff., die teilweise diskursanalytisch argumentiert, indem es heißt, ›dass es keine objektive Wirklichkeit und keine Möglichkeit gibt, eine Wirklichkeit objektiv sprachlich zu beschreiben bzw. wiederzugeben, sondern Sprache immer nur Sichtweisen auf Phänomene darstellt und vermittelt. Bestimmte Vorstellungen verfestigen sich so fortlaufend weiter und werden als selbstverständlich wahrgenommen.‹ (S.224)
Auch wird auf die Notwendigkeit der Analyse des diskursiven Kontexts hingewiesen. Für die Analyse eines Textes selbst aber werden vorwiegend nur sprachwissenschaftliche und rhetorische Kategorien beigezogen (Präsuppositionen, lexikalische Verweise, Implikate, Passivkonstruktionen, Metaphern, Personifizierungen, Euphemismen, etc.).