der Freitag über ›Heinz Langerhans: Die totalitäre Erfahrung‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen der Freitag über ›Heinz Langerhans: Die totalitäre Erfahrung‹

 

»Manche Bücher kommen zur rechten Zeit. Man liest sie, und sie sprechen zu aktuellen Fragen – gegen jede Intention des Autors. Das dicht und packend geschriebene Buch des Kölner Publizisten Felix Klopotek zu dem rätekommunistischen Theoretiker Heinz Langerhans ist ein solches. Langerhans war ein so umworbener wie auf Distanz gehaltener Paria des US-Exils der 1940er Jahre. Dorthin hatten ihn die Nazis getrieben, nachdem sie den Sozialisten in Gefängnis und Konzentrationslager gefoltert hatten.Verbindungen zu den großen Köpfen des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, zu Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, existierten, schließlich hatte Langerhans 1931 eine Promotion über Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung bei Horkheimer eingereicht, später war er im US-Exil Teil eines Projekts des Instituts über den NS-Antisemitismus. Er betrachtete – wie Bertolt Brecht – den westlichen Marxisten Karl Korsch als seinen Mentor und Lehrer. Mit diesem diskutierte er den Blitzkrieg der Wehrmacht ab 1939, sah in ihm in verstörender Weise gebündelte ›proletarische Energie‹ wirken: ein Gedanke, der den Dramatiker Heiner Müller nicht mehr losließ. […] Besonderes Augenmerk richtet der Autor auf eine unbekannte Schrift von Langerhans, die hier zum ersten Mal einem Publikum vorgestellt wird, ihr Titel lautet: How to overcome totalitarianism? Warum ist Langerhans ein nahezu Unbekannter? Klopotek zeigt es mehr implizit als explizit: Langerhans’ politisches Agieren und seine publizistischen Zuspitzungen sind kurios. Den Antisemitismus der Nazis erklärt er, noch bevor sich dieser zum Vernichtungsantisemitismus steigern sollte, zu einem Element des Nationalsozialismus, das im Abnehmen begriffen sei. Antifaschistischen Widerstand im Kriegsgeschehen sieht er weniger in Desertion, Flugblattverteilen oder Sabotage, Langerhans scheint Elemente des NS-Kriegs sogar zu affirmieren, weil er darin ›Proletarisches‹ erkennen will. Tatsächlich wollte er in der Analyse des Zweiten Weltkrieges kein Moralist und kein Idealist sein. Ethische Urteile seien bürgerlich. Nicht nur Karl Korsch schüttelte den Kopf: Langerhans verwechsle Revolution mit Konterrevolution. Der schärfste zeitgenössische Kritiker von Langerhans, der marxistische SPDler Arkadij Gurland, vermutete ›Rationalisierung‹ der eigenen Ohnmacht hinter Langerhans’ wirklichkeitsfremder Skizze einer fast schon klassenlosen faschistischen Stoßtruppgesellschaft, die irgendwie (nur wie?) etwas neues Antinazistisches hervorbringen würde. […] Eine von Langerhans verfasste Rezension, die den westlichen Kolonialismus verdammte, wird von Klopotek als dessen Vermächtnis beschrieben. Hier kann der mittlerweile über 70-Jährige eine Empörung über gesellschaftliches Unrecht an den Tag legen, das seinen alten Schriften schlicht fehlt. Und er scheint theoretisch Anschluss an Korsch zu finden, der ja bereits 1942 in seinen Notes on History in Hinblick auf die deutsche Kolonial- und Vernichtungspolitik im Osten eine Aufnahme und Radikalisierung älterer, bislang nur außereuropäisch erprobter Terrorpolitik vermutete.« – Gerhard Hanloser, der Freitag, Nr. 14, 07. April 2022

 

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