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Geronimo pustet in seinem dritten Traktat die Autonomen weg

Gerd Bedszent
Junge Welt vom 13.9.1997

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Im Jahre 1990 erschien im sogenannten »Hausverlag der Autonomen«. der Edition IDArchiv, unter dem Titel »Feuer und Flamme« ein Abriß zur Geschichte der autonomen Bewegung in Deutschland, von den ersten Anfängen in den 60er Jahren bis zum Fall der Mauer. Wegen der guten Verbindung von historischer Analyse. theoretischen Ausführungen und der Zustandsbeschreibung einer linken Subkultur erregte das Buch nicht nur innerhalb des linksradikalen Ghettos Aufmerksamkeit und wurde in mehreren Blättern heftig diskutiert. Für den Verlag war der Erfolg des Bandes Anlaß im Jahre 1992 eine Fortsetzung unter dem Titel »Feuer und Flamme II« zu veröffentlichen. Dieser enthielt nicht nur zahlreiche Szeneinterne Anmerkungen und Kritiken an die Adresse des unter dem Decknamen »Geronimo« anonym gebliebenen Autors, sondern auch eine Fortsetzung vom Anschluss der DDR bis zur Eskalation der rassistischen Gewaltwelle, der sich u.a. autonome Gruppen vergeblich entgegenstemmten.
Fünf Jahre später ist nun der letzte, abschließende Band dieser Trilogie erschienen, diesmal nicht im ID?Archiv, sondern durch den Unrast-Verlag herausgegeben. Geronimo, über den dabei einige biographische Angaben veröffentlicht werden, ist offenbar in die Jahre gekommen und zieht mit diesem Band ein Resümee der eigenen politischen Arbeit: Seiner Ansicht nach ist die autonome Bewegung als politische Kraft in Deutschland gescheitert.
Der Autor holt wieder weit aus. Seine Analyse beginnt mit der Anti-Olympia-Kampagne der Jahre 1992/93. Mit deutlicher Sympathie berichtet er von dieser letzten großen Kampagne der autonomen Bewegung, die seiner Meinung nach nicht unwesentlich zum Scheitern der Olympiabewerbung des Berliner Senats für das Jahr 2000 beigetragen hat. Gleichzeitig spart er aber auch nicht an Kritik: Einerseits sei mit der durch und durch korrupten Olympia-Mafia nur ein schwacher Gegner zur Strecke gebracht worden und andererseits hätte im Verlauf der Kampagne die autonome Bewegung ihre Instrumentalisierung durch bündnisgrüne Politiker nicht verhindern können. Letzteres wäre ein deutliches Anzeichen des beginnenden Niederganges der Bewegung gewesen.
Weitere Krisenerscheinungen folgten. So lösten die Todesschüsse von Bad Kleinen eine heftige Diskussion aus, wie es möglich war, daß ein Staatsschutzspitzel jahrelang unerkannt in der militanten linksradikalen Bewegung agieren konnte. In einer ausführlichen Analyse des Kaindl-Prozesses und der Unterstützungskampagne schildert Geronimo weiter den vergeblichen Versuch einer antifaschistischen Migrantengruppe in Berlin, türkischkurdische Straßengangs zu politisieren.
Das Scheitern der autonomen Bewegung markiert für den Autor offenbar der Autonomie-Kongreß 1995 in Berlin. Von den angereisten Gruppen hatte die Mehrzahl kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Ansatz der Autonomia zu tun, andere betrieben nur noch Traditionspflege. Heftige Fraktionskämpfe waren die Folge. So wurde Geronimo selbst auf dem Kongreß von einer Teilnehmerin kurzerhand das Mikrophon entrissen, da »von diesem Typ übelste sexistische Sachen kommen«.
Als Ursache des Zerfalls der Bewegung erscheinen ihm teils die nach 1989 gründlich gewandelten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, teils aber auch die Medien, die jeden schwarzgekleideten, vermummten Steinewerfer kurzerhand zum »Autonomen« erklärten. So wuchs die Szene in die Breite, verwässerte sich ins Beliebige…
Von »Feuer und Flamme« blieb für ihn zum Schluß nur noch Asche. »Und die gehört weggepustet«, schreibt er resignierend in der Einleitung des Buches. Ob unter der Asche noch genügend Glut bleibt für ein neues Aufflackern bewegungslinker Militanz man wird sehen.